Es ist Ihre Wahl: Die Besten oder die Richtigen?
- felicitasjungnitsc
- vor 4 Tagen
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Egal, wen man fragt, jeder kennt sie. Die Diven und Störenfriede, die für schlechte Stimmung auf Arbeit sorgen, für Unmut, Getuschel und das Gefühl, das nicht alle an einem Strang ziehen. Bestimmt haben Sie sofort mindestens ein Gesicht oder einen Namen im Kopf, der Ihnen beim Lesen dieser Zeilen einfällt. Und wahrscheinlich sind es nicht nur ehemalige Mitarbeiter oder Kollegen, sondern Menschen, mit denen Sie regelmäßig zusammenarbeiten müssen. Und das nur, weil irgendjemand seine Aufgabe als Torwächter nicht wahrgenommen hat.
Ja genau, Führungskräfte sind auch Torwächter. Das ist eine der wichtigsten Aufgaben, die sich Ihnen immer wieder stellt. Was erstmal befremdlich klingt, ist etwas, das jeder im Alltag bereits tut. Wenn es bei Ihnen zuhause an der Tür klingelt, schauen Sie erstmal, wer da vor der Tür steht und Einlass begehrt. Ist es jemand, den Sie kennen und als ungefährlich einschätzen, bitten Sie ihn herein. Steht ein Unbekannter oder jemand, den Sie nicht mögen, vor der Tür, werden Sie das mit Sicherheit nicht tun.
Dieselbe Aufgabe haben Sie auf der Arbeit. Insbesondere dann, wenn es um die Einstellung neuer Mitarbeiter geht. Doch woher sollen Sie wissen, ob die Kandidaten, die sich beworben haben, bedenkenlos ins Unternehmen und Ihre Abteilung hineingelassen werden können? Und wie unterscheiden Sie die Richtigen von den Besten?

Um eine gute Antwort zu finden, werfen wir einen Blick auf den üblichen Bewerbungsprozess. Es gibt ein Profil der offenen Stelle und passend dazu einen Anforderungskatalog für den Bewerber. Üblicherweise stehen auf der Wunschliste reichlich fachliche Fähigkeiten und ein paar Soft Skills wie Team- oder Durchsetzungsfähigkeit. Was das genau ist, bleibt für alle Beteiligten unklar. Nachdem die Ausschreibung erfolgt ist und die Bewerbungen eingetrudelt sind, geht es an die Auswahl. Die Kandidaten mit den meisten fachlichen Übereinstimmungen zur offenen Stelle werden eingeladen. Die Gespräche sind zeitlich straff getaktet und es werden am liebsten Fragen zum beruflichen Werdegang, den Karrierezielen in 5 Jahren und den Stärken und Schwächen gestellt. Nach mehreren Gesprächsrunden dieser Art wird eine Entscheidung getroffen.
Und dann naht die Stunde der Wahrheit: der Kandidat tritt die neue Stelle an. Trifft zum ersten Mal auf die neuen Kollegen. Sieht seinen Arbeitsplatz. Lernt die Mitarbeiter der anderen Abteilungen kennen. Und zeigt, was er fachlich kann. Die Geschichte könnte gut enden: alle mögen sich, die Zusammenarbeit funktioniert hervorragend, die erwartete Leistung wird erbracht.
Allzu oft läuft es jedoch anders. Die Eigenheiten des neuen Mitarbeiters harmonieren nicht mit der Kultur in Ihrer Abteilung und im Unternehmen. Einige Ihrer Mitarbeiter lassen Sie wissen, dass der neue Kollege sich abkapselt, anbiedert oder mit Dauerbesserwisserei glänzt. Und schon ein paarmal zu spät zur Arbeit kam. Oder die erhofften Arbeitsergebnisse bleiben aus. Am schwierigsten: die Arbeitsergebnisse sind spitze, aber menschlich passt der Mitarbeiter so gar nicht ins Team. Oder er beklagt sich darüber, dass er sich sein Arbeitsumfeld ganz anders vorgestellt hat und so nicht gut arbeiten kann. Das sind typische Signale dafür, dass Sie als Torwächter keine gute Arbeit geleistet haben. Und nun müssen Sie sich mit viel Zeit und Energie um diese Probleme kümmern.
Das geht doch besser!
Starten wir mit unserem Mindset. Brauchen wir tatsächlich Einserkandidaten und Bewerber mit einer fast schon unrealistischen Vielzahl an Erfahrungen und Fachwissen? Wollen wir wirklich nur diese besten Mitarbeiter finden oder lieber die richtigen, die, die sich ins Team einfügen und sich als wertvolle Mitstreiter einbringen?
Natürlich wollen wir monatelange Einarbeitungszeiten vermeiden. Aber ob der fachlich beste Bewerber automatisch der für Ihre Abteilung richtige ist, können wir durchaus bezweifeln. Deshalb ist die wichtigste Frage: Was wollen Sie? 100 % fachliche Eignung und 100 % persönliche Passung an Sie und Ihr Team werden Sie kaum finden. Deshalb sind Sie gut beraten, wenn Sie die persönliche Passung als das entscheidende Auswahlkriterium sehen. Fachliche Kenntnisse kann man sich aneignen, persönliche Eigenschaften sind im Großen und Ganzen wie sie sind und nur sehr bedingt veränderbar. Und wollen Sie wirklich Zeit und Mühe darauf verwenden, einen neuen Mitarbeiter psychologisch so lange zu bearbeiten, bis er in Ihre Abteilung passt? Solches Verhalten darf gerne unter Ihrer Würde sein.
Schauen wir uns den Anforderungskatalog an, der in der Stellenausschreibung mündet. Auf welche fachlichen Basics können Sie bei der Besetzung der Stelle nicht verzichten? Die kommen in die Ausschreibung hinein. 2-3 Nice-to-have-Qualifikationen sind ergänzend in Ordnung, sollten aber auch als „wünschenswert“ gekennzeichnet sein. Und ein Hinweis darauf, dass Ihr Fokus auch auf der persönlichen Passung liegt, ist immer gut – dann können Sie Phrasen wie Team- oder Durchsetzungsfähigkeit streichen.
Nun geht es an die Kandidatenauswahl. Wie wäre es, wenn Sie Ihr Team miteinbeziehen? Jeder liest Bewerbungen mit einem anderen Blick. Und achtet bei Kennenlerngesprächen auf andere Aspekte. Neugierig sind Ihre Mitarbeiter in jedem Fall, wer denn da neu ins Team kommen soll. Machen Sie sich das zunutze und schaffen Sie eine Win-Win-Situation: Ihre Mitarbeiter fühlen sich wertgeschätzt und ernstgenommen, Sie bekommen neue Blickwinkel, auch auf die bestehende Teamdynamik und sorgen bereits an dieser Stelle für eine gute Integration des noch zu findenden neuen Mitarbeiters. Wenn Sie jetzt sagen: „Aber dafür hat doch niemand Zeit!“ entgegnen wir Ihnen: „Die Zeit, die Sie in eine gute und passende Mitarbeiterauswahl investieren, ist die bestinvestierte Zeit. Sind Sie hier nachlässig, werden Sie das doppelt und dreifach mit Zeit und Geld bezahlen müssen. Und Sie werden bestimmt Mitarbeiter haben, die sich für die Unterstützung bei der Personalauswahl gerne Zeit nehmen.“
Und wie finden Sie nun heraus, welcher Kandidat gut passen könnte?
Indem Sie sich für das Kennenlerngespräch Zeit nehmen. Mit einem Puffer, falls das so Gespräch interessant ist, dass es länger dauert als veranschlagt.
Und indem Sie es wirklich als Chance zum gegenseitigen Kennenlernen sehen. Finden Sie im Gespräch heraus, wie der Kandidat tickt. Fragen Sie nach konkreten Situationen und wie Ihr Gegenüber jeweils reagiert hat. Unter welchen Rahmenbedingungen war der jeweilige Erfolg oder Misserfolg möglich? Bezieht Ihr Gesprächspartner frühere Kollegen mit ein oder war immer nur alles sein Verdienst? Sind Fairplay, gegenseitige Unterstützung und Wertschätzung feste Bestandteile seines Handelns? Das sagt viel mehr aus als Arbeitszeugnisse und Antworten zu Stärken und Schwächen. Halten Sie nach Anzeichen des Kandidaten Ausschau, die auf eine offene Haltung gegenüber Ihrer Unternehmenskultur und den zukünftigen Aufgaben schließen lassen. Flexibilität ist ein weiterer wichtiger Faktor: Ist der Kandidat bereit, bei Engpässen zeitweise auch andere Aufgaben zu übernehmen? Oder beharrt er auf seinen üblichen Tätigkeiten, selbst wenn um ihn herum ein Sturm tobt?
Ein dritter Punkt, der ebenfalls gerne vermieden wird, ist die realistische Beschreibung der offenen Stelle. Seien Sie ehrlich, beschönigen Sie die Aufgaben und das Arbeitsumfeld nicht blumig, sondern geben Sie dem Bewerber die Möglichkeit, sich ein realistisches Bild zu machen. Und dann ehrlich zu entscheiden, ob er sich dieser Herausforderung stellen möchte. Nichts ist frustrierender als einen passenden Mitarbeiter gefunden zu haben, der nach kurzer Zeit das Handtuch wirft, weil ihm andere Umstände geschildert worden als real vorhanden. Umgekehrt erwarten Sie schließlich auch, dass der Kandidat ehrlich mit Ihnen ist und es keine bösen Überraschungen gibt.
Das Sahnehäubchen und zugleich ein erster Realitätscheck ist ein Probearbeiten. Die potenziellen neuen Kollegen lernen sich kennen und der Kandidat bekommt eine konkretere Vorstellung vom Arbeitsumfeld und seinen Aufgaben. Wann immer möglich, sollten Sie diese Option nutzen.
Nach dem Kennenlernen ist es Zeit für den Austausch mit Ihrem Team und eine Innenschau:
Denken Sie, dass Ihr Team jeden Tag mit dem Kandidaten zusammenarbeiten möchte?
Möchten Sie jeden Tag mit dem Kandidaten zusammenarbeiten?
Und passt er zu den Aufgaben, die die offene Stelle bereithält?
Sie beantworten mindestens eine Frage mit Nein? Dann Hände weg!
Wenn Sie sich nicht sicher sind, dann stellen Sie niemanden ein. Auch wenn es personell eng ist. Ihr Team wird hinter Ihnen stehen, wenn Sie Ihre Beweggründe darlegen und es zu schätzen wissen, dass Sie ihnen keine faulen Eier ins Nest legen wollen. Unter Umständen ist ein Interimsmitarbeiter oder Freelancer eine Übergangslösung. Suchen Sie lieber in Ruhe weiter, als den Falschen einzustellen.
Zeit der Probe
Sie haben sich, in Abstimmung mit Ihrem Team, für einen Kandidaten entschieden und die Zusammenarbeit beginnt. Die Probezeit, die Sie hoffentlich vereinbart haben, ist eine wertvolle Phase des einander Kennenlernens. Neben einem ordentlichen Onboarding gehört es nun zu Ihren Aufgaben, immer wieder Kontakt zu Ihrem neuen Teammitglied zu suchen. Hat er alles, was er zum Arbeiten braucht? Hält er, was er versprochen hat? Wo hakt es? Sie werden in den Gesprächen quasi nebenbei wertvolle Impulse für die Arbeit Ihrer Abteilung bekommen. Auch Ihr gesamtes Team wird Ihnen gerne Rückmeldungen zur Zusammenarbeit geben. Wenn es knirscht, schauen Sie realistisch, ob das Problem schnell behoben werden kann und führen Sie ein entsprechendes Gespräch mit dem neuen Mitarbeiter. Sind es jedoch größere Themen oder grundsätzliche Diskrepanzen, die auch zukünftig immer wieder für Unfrieden in Ihrer Abteilung sorgen werden, seien Sie ehrlich und ziehen Sie den Stecker.
Die Personalauswahl läuft immer ein Stück weit nach dem Trial-and-Error-Prinzip, egal, wie penibel Sie an das Thema herangehen. Wenn Sie sich als Torwächter Ihrer Abteilung und auch des Unternehmens verstehen, ist jedoch schon viel gewonnen. Und vielleicht hilft Ihnen diese Sichtweise:
Es gibt keine falschen Mitarbeiter, nur nicht passende.
Also suchen Sie weiter nach den Passenden. Den richtigen Passenden.