Zwei Gründer. Zwei Perspektiven. Eine Mission. Und ein Interview.
- felicitasjungnitsc
- 22. Juli
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. Aug.
Felicitas und Thomas Jungnitsch erzählen, wie sie Führung sehen und leben, warum sie die Bessere Wege OHG gegründet haben und was es mit ihrem Führungskräftekonzept auf sich hat.
Was hat euch motiviert, ein eigenes Unternehmen zu gründen?
Felicitas: Ich habe in meiner bisherigen Laufbahn erlebt, welche Auswirkungen ein hervorragender Kundenservice hat und was passiert, wenn der Kunde nicht mehr im Zentrum der Bemühungen steht. Ich habe Führungskräfte kennengelernt, die mit den richtigen Mentoren und Rahmenbedingungen erblüht sind und Führungskräfte, die mehr Schaden als Nutzen gestiftet haben, weil ihnen nicht bewusst war, welche Folgen ihr Handeln hat.
Und ich durfte miterleben, wie wenig gängige Führungskräfteweiterbildungen verändern. Wenn man den Aufwand bedenkt, der finanziell und organisatorisch stattfindet, damit Führungskräfte an Weiterbildungen teilnehmen können, dann hat der Output für mich nie gestimmt. Natürlich hatten die Teilnehmer eine schöne Zeit und haben etwas gelernt. Selbstverständlich waren alle kurzzeitig motiviert, ihr neues Wissen anzuwenden. Aber wirklich verändert haben diese Veranstaltungen gar nichts: weder bei den Führungskräften und in deren Teams, noch insgesamt im Unternehmen.
Das ist mir zu wenig. Und vor allem muss das doch besser gehen. Deshalb kamen wir auf die Idee, ein Konzept zu entwickeln, das wirklich etwas bewirkt und die Dinge, die im Führungsalltag immer wieder auftauchen, in die richtigen Bahnen zu lenken.
Thomas: In mir geisterte der Wunsch, wieder ein eigenes Unternehmen aufzubauen, schon länger herum. Mir fehlte nur die zündende Idee. Ich habe schon immer am liebsten Dinge nach meinen Vorstellungen aufgebaut. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass ein zu großes Maß an Rücksichtnahme auf die Vorstellungen und Befindlichkeiten anderer eine gute Idee völlig verwässert. Diesen Kompromiss wollte ich nicht mehr eingehen.
Die Idee für ein gemeinsames Unternehmen entstand in einem Küchengespräch mit Felicitas. Sie fragte mich, ob ich bei einer Unternehmensgründung mit an Bord bin und ich sagte sofort: Ja!
Gab es einen Schlüsselmoment, der euch gezeigt hat: So wie Führung heute läuft, funktioniert es nicht?
Thomas: Ja. Ich hatte damals ein länderübergreifendes Großprojekt auf dem Tisch und wurde immer wieder von verschiedenen Abteilungsleitern mit Kleinkram behelligt, der keine Relevanz für den Erfolg des Projektes hatte und tatsächlich nur aus bürokratischen Gründen bei mir abgeladen wurde. Als ich mich bei meinem Chef über die Absurdität dieser Regelungen beschwerte, bekam ich nur ein Schulterzucken. Das erhoffte Zurückbauen aller unnötigen Bürokratie fand nicht statt. Die Erkenntnis, dass Bürokratie wichtiger geworden war als das Bohren dicker wirtschaftlicher Bretter, empfand ich als frustrierend.
Felicitas: Der Moment, als ich bemerkte, dass mein neuer Chef an unseren Absprachen vorbei in meinem Zuständigkeitsbereich herumwerkelte, war mein Augenöffner. Ab diesem Moment war mir klar: mein Chef vertraut mir nicht.
Thomas, was hat dich an bestehenden Führungsideen oder -modellen gestört?
Thomas: Bei vielen aktuellen Führungsmoden steht die Mitarbeiterzufriedenheit zu sehr im Fokus. Diese Moden suggerieren, dass das Unternehmen automatisch floriert, wenn es den Mitarbeitern gut geht. Das trifft in meinen Augen so nicht zu.
Die Realität von Führungskräften sieht gerne mal ganz anders aus. Im Hintergrund gibt es durchaus Mitarbeiter, die machen, was sie wollen, schlagen quer und stören das Teamgefüge und denen kommt man mit Mitarbeiterzentrierung nicht bei. Die gängigen Methoden greifen hier nicht. Nur weil man verständnisvoller mit jemandem kommuniziert, für noch mehr Wohlfühlatmosphäre sorgt oder das zehnte Goodie obendrauf packt, löst sich das Problem nicht automatisch auf. Auch die Umsätze steigen dadurch nicht und der Chef und die Kunden sind nicht zufriedener.
Was bedeutet Führung für dich ganz persönlich, Felicitas?
Felicitas: Führung bedeutet für mich, aktiv Verantwortung für den eigenen Bereich zu tragen und zugleich ohne Angst Verantwortung an Mitarbeiter zu übertragen. Führung heißt auch, Wahrheiten auszusprechen – auch die unangenehmen. Und für ein Arbeitsklima zu sorgen, in dem sich die Mitarbeiter optimal zum Wohl des Unternehmens entfalten können.
Meine eigene Führungsrolle habe ich gerne um persönliche Gespräche und Gesten erweitert: ein gemeinsames Teamfrühstück, gerne hin und wieder auch mit Kollegen aus anderen Abteilungen, und kleine oder größere Aufmerksamkeiten zum Geburtstag, zu Ostern, Nikolaus, Geburten und Hochzeiten. Und auch das Anteilnehmen an schwierigen Situationen wie Trennungen, Krankheiten und Todesfällen gehörte für mich immer dazu. Meine Mitarbeiter und Kollegen sollten einfach spüren, dass ich ehrliches Interesse an ihnen als Menschen hatte und habe.
Welche Verantwortung trägt Führung in Unternehmen wirklich?
Thomas: Da fallen mir ad hoc einige wichtige Punkte ein:
Sich um die wirtschaftliche Zukunft des Unternehmens zu kümmern, also nicht nur im Hier und Jetzt zu agieren, sondern vorausschauend zu denken. Dieser Punkt ist eng verknüpft mit der Aufgabe einer jeden Führungskraft, dem Unternehmen zu steigenden Gewinnen zu verhelfen, nicht nur heute, sondern auch langfristig.
In Notsituationen Entscheidungen zu treffen, auch wenn man die Konsequenzen nicht vollends überblickt.
Die Komplexität von Vorgängen und Ereignissen so gut es geht zu reduzieren und für alle Beteiligten überschaubar zu machen. Dabei denke ich besonders an viel zu große Prozessketten, bei denen die Mitarbeiter sich nicht genau verorten können und deshalb nur nach Schema F arbeiten.
Und vor allem den Kunden nicht aus dem Blick zu verlieren. Das passiert manchmal schneller, als man denkt.
Warum reicht es nicht aus, „nur“ auf Mitarbeiter oder das Unternehmen zu schauen?
Thomas: Ein Unternehmen überlebt nur, wenn es profitable Kundenbeziehungen unterhält. Dafür braucht es üblicherweise Mitarbeiter, die dabei helfen, diese Kundenbeziehungen aufzubauen, aber anders als der Kunde geben sie dem Unternehmen kein Geld - sie sind nicht der Kunde. Deshalb braucht es den Dreiklang von Kunden-, Unternehmens- und Mitarbeiterinteressen, die alle berücksichtigt werden müssen.
Was unterscheidet euren Ansatz von gängigen Konzepten?
Felicitas: Der gerade von Thomas beschriebene Dreiklang von Kunden, Unternehmen und Mitarbeitern unterscheidet uns von den gängigen Konzepten.
Die meisten Konzepte sind monothematisch, sie beschäftigen sich nur mit dem Blick auf z.B. die Mitarbeiter. Wir gewichten die Interessen aller drei Seiten gleichwertig und zeigen die Wechselwirkungen und mögliche Ungleichgewichte auf, weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass sich echter Erfolg nur dann einstellt, wenn die Interessen aller drei Seiten berücksichtigt werden.
Uns ist auch aufgefallen, das oft und gerne über Führungskräfte geredet und geschrieben wird, ohne sie ins Boot zu holen. Teilweise wird Führungskräften regelrecht bevormundend verkündet, dass sie nun diese oder jene Verhaltensweise an den Tag legen sollen, damit sich andere nicht auf den Schlips getreten fühlen. Diese Art und Weise lehnen wir ab und versuchen lieber, die Realität von Führungskräften abzubilden und ohne belehrende Haltung Wege aufzuzeigen, die zum Erfolg führen.
Für wen ist euer Modell gedacht – und wer wird sich daran reiben?
Thomas: Unser Angebot haben wir für Führungskräfte entwickelt, die in kleinen und mittelständischen Unternehmen arbeiten und sich mit Konzepten wie New Work und Positive Leadership wenig oder gar nicht identifizieren können.
Wer sich an unserem Modell reiben wird? Wahrscheinlich alle, die gerne mit erhobenem Zeigefinger darüber dozieren, wie Führungskräfte zu sein haben.
Wenn ihr Wunschkonzert spielen könntet, wie würde sich Führung in den nächsten Jahren verändern?
Felicitas: Sie würde den Kunden viel mehr ins Zentrum rücken.
Wir sind in den letzten Jahren so oft mit Unternehmen in Berührung gekommen, bei denen wir als Kunden nicht wichtig waren. Schlechter Service, unausgegorene Prozesse, unfreundliche oder gar ignorante Mitarbeiter, die lieber ihre Raucherpause machen oder miteinander Privatgespräche führen, anstatt sich um den Kunden zu kümmern, sind leider oft anzutreffen. Und dafür soll man als Kunde bezahlen?
Echte Führungsarbeit schafft es, allen Mitarbeitern bewusst zu machen, wer ihre Gehälter bezahlt und deshalb Aufmerksamkeit verdient: der Kunde.

Was schätzt ihr jeweils an eurem Mitgründer? Wo ergänzt ihr euch?
Thomas: Ich schätze an Felicitas, dass sie so großen Wert auf Details legt – nicht nur das große Ganze muss stimmen, sondern auch all die kleinen Dinge, mit denen unsere Kunden in Berührung kommen. Sie nimmt immer wieder den Blickwinkel des Kunden ein und legt großen Wert auf ein hervorragendes Kundenerlebnis. Ihre Art, Texte zu schreiben und mit Worten zu jonglieren, finde ich toll. Und sie holt mich in die Realität zurück, wenn meine Ideen zu verrückt werden.
Felicitas: Mir gefällt Thomas‘ Mut, große Vorhaben wie unsere Unternehmensgründung ohne Angst anzugehen. Er ist immer zuversichtlich, dass sich Probleme lösen lassen. Seine Begeisterung für unser Unternehmen und die Freude über jeden einzelnen Schritt vorwärts sind ansteckend. Am meisten schätze ich seine kritischen Gedanken zu vorgefertigten Meinungen. Daraus entspinnen sich immer wieder neue Ideen, die wir in unser Unternehmen einfließen lassen.
Beide: Wir ergänzen uns wunderbar. Thomas ist für die großen Strukturen und Systeme zuständig, Felicitas für die Details und das Kreative.
Wie lebt ihr selbst die Prinzipien, die ihr vermittelt?
Felicitas: Grundsätzlich stehen wir voll und ganz hinter den Inhalten und, wenn man es so nennen möchte, Prinzipien unseres Konzeptes. Für mich steht der Kunde mit seinen Problemen und Anliegen an erster Stelle. Ich durfte beruflich die typisch österreichische Gastfreundschaft kennenlernen und habe davon Vieles in mein Verständnis von exzellentem Kundenservice übernommen. Auch das Thema Vertrauen lebe ich beispielsweise sehr konsequent. Wenn kein Vertrauen wächst oder so beschädigt wurde, dass es nicht repariert werden kann, bin ich immer für den harten Schnitt. Krumme Zugeständnisse führen nicht zum Ziel.
Thomas: Wir haben auf unseren bisherigen Berufswegen immer wieder viele Komponenten unseres Konzepts eingebracht und versucht umzusetzen. So haben wir zum Beispiel bei der Personalauswahl gelernt, weniger auf die besten Qualifikationen zu schauen und dafür umso mehr darauf zu achten, dass die Bewerber ins bestehende Team passen, weil es sonst nur Reibereien gibt. Oder nehmen wir das Beispiel Bürokratie: Ich habe mich immer dafür stark gemacht, diesen Bereich so schmal wie nur möglich zu halten, auch wenn mir das einige Konflikte eingebracht hat.
Leider haben wir erst später unser umfassendes Konzept erarbeitet, sonst hätte es uns schon früher mehr Durchschlagskraft in unseren Positionen als Führungskräfte verliehen.
Was dürfen Leserinnen und Leser von eurem Blog erwarten – und was nicht?
Felicitas: Bei uns gibt es klare Worte. Wir rütteln an sichergeglaubten Standpunkten zum Thema Führung und zielen auf Schmerzpunkte. Wir trauen uns, auch unangenehme Wahrheiten anzusprechen, denn wir streben Verbesserungen für Führungskräfte an – und die gibt es oft nur, wenn es weh tut. Das Ganze wird aber auch wissenschaftlich untermauert und mit einer Prise Humor versehen.
Was es in unserem Blog nicht geben wird, sind Plattitüden, Bevormundung und 0815-Lösungen.
Wenn ihr Führung in einem Satz beschreiben müsstest – wie würde er lauten?
Thomas: Wir haben das in unseren Slogan gegossen: Führen ohne Schnickschnack – für begeisterte Kunden, profitable Unternehmen und zufriedene Mitarbeiter.
Vielen Dank für das interessante Interview und die Einblicke in euer Unternehmen.