Wenn Arbeit zum Kindergarten wird
- felicitasjungnitsc
- 11. Nov.
- 3 Min. Lesezeit
Wer kennt sie nicht? Lounge-Ecken mit gemütlichem Wohnzimmerflair, Obstkörbe, Gratisgetränke und den Bürohund, der schwanzwedelnd für gute Laune sorgt. Feelgood-Programme sind mittlerweile zum Standard in den meisten Unternehmen geworden und sollen dafür sorgen, dass sich alle Mitarbeiter wie zuhause fühlen.
Was im ersten Moment sympathisch wirkt, hat eine unschöne Kehrseite. Feelgood-Programme sind selten Ausdruck echter Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern. Vielmehr sind sie Kosmetik, um fehlende Strukturen zu übertünchen. Wo unklare Ziele, fehlende Verantwortungsbereiche und überfrachtete Meetings herrschen, braucht es bunte Farben und viel gute Laune, damit Mitarbeiter bleiben.
Da wundert es nicht, dass so manches Unternehmen wie ein Kindergarten wirkt: Kickertische, Besprechungsräume mit Sitzsäcken, Hängeschaukeln, Legosteinen und Knete sowie wandgroßen Whiteboards mit einer ansehnlichen Auswahl an bunten Stiften und Klebezetteln. Begleitet wird die fröhliche Kinderwelt von Feelgood-Managern oder Happiness Officers, die nicht müde werden, Yoga-Sessions, Mental-Health-Tage und Ausflüge in Escape Rooms und Kletterparks anzubieten, damit sich alle Mitarbeiter betreut und bespaßt fühlen. Es soll niemandem an irgendetwas fehlen.

Vom Wohlfühlprogramm zur Unmündigkeit
Und doch gelingt es dieser unbeschwerten Wohlfühlwelt nicht, Mitarbeiter dauerhaft in ihr zu halten. Und je mehr Aufwand Unternehmen betreiben, um ihre Mitarbeiter glücklich zu machen, desto unglücklicher werden sie. Weil niemand mehr fragt, was sie eigentlich brauchen, um sich auf Arbeit gut zu fühlen.
Dabei ist die Antwort denkbar einfach, wenn auch weniger bunt und lustig: Mitarbeiter brauchen Entscheidungsräume und das Gefühl, wirksam zu sein und etwas bewegen zu können. Sie wollen zeigen, was sie können. Sie wollen eigene Erfahrungen sammeln, Ideen ausprobieren und sehen, ob sie funktionieren. Sie wollen, dass ihre Meinung, wie Probleme gelöst und Dinge zum Laufen gebracht werden, gehört und anerkannt wird.
Fehlt dieser Wirksamkeitsraum, helfen auch Tischkicker, Bürohund und Feelgood-Manager nicht.
Doch statt die bunte Kinderwelt aus den Büros zu verbannen und Erwachsene erwachsen arbeiten zu lassen, setzen viele Unternehmen lieber auf Feedbackrunden und Lobeshymnen, küren den Mitarbeiter des Monats und loben Wanderpokale für besondere Teamleistungen aus. Damit treiben sie ihre Mitarbeiter immer weiter in die Unmündigkeit und Verkindlichung hinein. Und während die offizielle Botschaft an jeden Mitarbeiter lautet „Wir sorgen für dein Wohlbefinden“, wird gerne vergessen, sich um die Kunden und die Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu kümmern.
Und was bewirkt all das? Bekommen wir mit all diesen Maßnahmen reife Erwachsene, die im Unternehmensinteresse handeln und für ihre Ergebnisse einstehen? Nein. Stattdessen bekommen wir Mitarbeiter, die sich wie Kinder verhalten. Die sich anpassen, um zu gefallen. Die für jede Handlung ein Lob als Bestätigung brauchen, dass sie alles richtig gemacht haben. Die maulen, wenn der Lieblingsschokoriegel im Snackautomat vergriffen ist. Und denen nach dem Tischkicker immer neue Spielzeuge einfallen, die auch gut in den Pausenraum passen und noch viel mehr Zerstreuung bereiten würden.
Goodbye Kindergarten!
Sie wollen keinen Kindergarten leiten, sondern eine erfolgreiche Abteilung mit Mitarbeitern, die kein Spielzeug brauchen, um Spaß an der Arbeit zu haben?
Dann schaffen Sie eine Arbeitsumgebung, in der Arbeit und Freizeit nicht ineinander verschwimmen. Es braucht kein Sofa und keinen Tischkicker für hervorragende Ergebnisse. Dafür aber eine den Aufgaben angemessene Arbeitsumgebung, die Professionalität ausstrahlt.
Sorgen Sie für eine Arbeitsatmosphäre, die auf Verantwortung und Ergebnisse setzt, statt auf belanglose Bespaßung und Umsorgung. Das ist nicht unmenschlich, wie uns derzeit vielerorts eingeredet wird, sondern reif, erwachsen und unternehmerisch.
Ersetzen Sie die Betreuung Ihrer Mitarbeiter durch gute Arbeitsbedingungen, in denen jeder die Arbeitsmittel und das Wissen hat, dass er für die Bewältigung seiner Aufgaben braucht.
Verlassen Sie das Eitel-Sonnenschein-Land, das nur Ja-Sager produziert, und leben Sie Konflikte und Konfrontationen als etwas Normales. Reibung erzeugt neue Impulse für Veränderungen und ist schlichtweg menschlich.
Ermöglichen Sie Ihren Mitarbeitern Verantwortungsübernahme. Nur wer Verantwortung leben darf und lernt, welches Handeln welche Ergebnisse hervorbringt, kann Reife erlangen.
Setzen Sie auf eine erwachsene Sprache. Wer Mitarbeiter als „Familie“ oder „Kids“ anspricht, bekommt das passende Verhalten gespiegelt. Ihre Sprache formt die Haltung Ihrer Mitarbeiter.
Halten Sie Ihren Anspruch an echte Professionalität hoch und fordern Sie sie auch von Ihren Mitarbeitern ein. Feelgood-Chefs mögen für Ihr Team zwar kurzfristig angenehmer sein, langfristig erzeugen sie jedoch nur unmündige Gesprächskreise statt messbarer Ergebnisse.
Führung ist kein Feelgood-Programm. Sie ist ein ökonomischer Auftrag. Sie sorgt nicht für eine Wohlfühloase, sondern für Struktur. Wer Verantwortung ermöglicht, braucht keine Legosteine. Wer Ergebnisse schafft, braucht keinen Glücksoffizier. Die neue Reife beginnt dort, wo Erwachsene wieder ernst genommen werden: als Menschen, die wirken wollen, nicht als Kinder, die betreut werden müssen.
Im nächsten Artikel erfahren Sie, warum Wirksamkeit die erwachsene Form der Freude und die eigentliche Triebkraft menschlicher Arbeit ist.
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